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Der Emmentaler-Käse als weltweiter Werbeträger

Bereits im 18. Jahrhundert waren Burgdorf und Langnau i. E. führende Käsemetropolen. Danach erlebten die Produktion und der Export des Emmentalers einen regelrechten Höhenflug. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die grosse Zeit des schweizerischen Käsehandels auf dem Weltmarkt zwar vorbei, doch der gute Ruf des Emmentalers blieb. Nur wenige Regionen weltweit besitzen einen derart bekannten Werbeträger wie das Emmental.

Der Emmentaler wurde in edle Holzkübel verpackt und so mit der Bahn und mit dem Schiff etwa nach New York verschickt. Das Bild zeigt den Verlad von Produkten der Burgdorfer Firma G. Roth & Co. AG, um 1925.

Mit dem Aufkommen der Talkäsereien und der effizienteren Transportmöglichkeiten durch ein verbessertes Strassennetz begann im Emmental ab 1815 der Käseexport im grossen Stil. Die Käselaibe konnten nun in grösserer Form hergestellt werden. Die Emmentaler-Händler bauten ihre Kontakte schritt-weise in die ganze Welt aus. Einzelne mischten bereits vor diesem Boom im Welthandel mit, dazu gehörte etwa der Burgdorfer Handelsmann und Salzfaktor Johann Rudolf Aeschlimann. 1816 verkaufte die Firma Aeschlimann & Cie. den Emmentaler im damaligen Zarenreich, im Habsburgerreich, in Frankreich und allein in Deutschland in über 140 Städten. Eine erstaunliche Zahl!

Um 1830 begannen die eigentlichen Boomjahre des Käsehandels. Heute sind Maschinen, Uhren und Chemikalien weltweit bekannte Produkte der Schweiz; im 19. Jahrhundert jedoch war der Emmentaler der Inbegriff des schweizerischen Exports. Nach 1850 erreichte der Käse in zahlreichen Exportdestinationen ein ausgezeichnetes Image und war danach viele Jahre Marktführer in Europa und in Nordamerika, wo man ihn als «Swiss Cheese» bezeichnete. Und für das Emmental wurde der Käse zum weltweiten Werbeträger … Doch wie kam es dazu?

 

Käseexport und Leinwandhandel

Die Käsehändler oder Käsebarone, wie sie auch genannt wurden, stiegen im 19. Jahrhundert im Emmental zu mächtigen Persönlichkeiten auf, da ihnen der Handel häufig grosse Gewinne bescherte. Zentrum des Käseexports war zunächst Langnau, bald sicherte sich aber auch Burgdorf seinen Anteil am Handel mit den schweren Laiben. Leinwandunternehmer waren am Aufschwung des Käsehandels ebenfalls massgeblich beteiligt. Weil sie die Leinwand und den Käse über die gleichen Handelswege vertreiben konnten, nahmen die Händler den Käse ebenfalls ins Sortiment auf.

 

Aufschwung zum weltweit bekannten «Swiss Cheese»

Um 1830 übernahmen im Kanton Bern fortschrittlich Gesinnte die Macht. Bauern konnten nun erleichtert von der Getreide- auf die Milchwirtschaft wechseln. 1835 gab es im Kanton 27 Käsereien, 1857 bereits 355. Dank Freihandelsverträgen mit den USA und mit einigen europäischen Ländern fielen Handelsschranken. Die Eisenbahn, die Burgdorf ab 1857 mit grossen Städten verband, erleichterte den Transport der schweren Käselaibe über grosse Distanzen zusätzlich.

Der Erfolg des Emmentalers war enorm: Im Jahrhundert des Gold-, Börsen- und Gründungsfiebers sprach man in helvetischer Abwandlung von einem Käsefieber. Händler aus Burgdorf und dem oberen Emmental machten den Emmentaler zum führenden Exportartikel. Zu den prägenden Unternehmern gehörte der Burgdorfer Heinrich Fehr (1815–1890), der das Familienunternehmen G. Roth & Co. AG gründete und die Käsebranche national und international in verschiedenen Gremien vertrat. Fehr war der erste «Käse-Statistiker» und wies den Handel mit dem Emmentaler nach: Eine Weltkarte von 1848 bis 1858 zeigt die entsprechenden Orte in Nord- und Südamerika, Asien und in allen heute bekannten Ländern Europas auf.

 

Heinrich Fehr, ein äusserst erfolgreicher Exporteur

Heinrich Fehr gehörte zu den wichtigen Käseexporteuren des 19. Jahrhunderts. Mit Postkutschen und den ersten Eisenbahnen bereiste er regelmässig die damaligen deutschen Kleinstaaten. Später dehnte er die Reisen bis St. Petersburg und in den Balkan aus. Wenn die direkte Lieferung von Burgdorf in ein fernes Land nicht möglich war, richtete die Firma Roth in der Ferne Lager ein und übergab die Geschäfte einem Kommissionär. Zuerst mit Pferdefuhrwerken, dann mit der Eisenbahn gelangten die Emmentaler-Laibe bis an die Grenzen Europas und weiter mit dem Schiff um die halbe Welt.

In einem Verzeichnis vom 1. Juni 1855 sind 796 Laibe aufgezählt, die in Städten wie St. Petersburg, Moskau, Odessa, Konstantinopel, Venedig, New York, San Francisco, Montevideo, Lima, Valparaiso oder Hongkong in Depots lagerten. So baute die Firma von Heinrich Fehr den Käseexport im grossen Stil auf.

Der Käseexport, der für das Emmental die Welt bedeutete: Die Karte, welche die Handelswege der Firma G. Roth & Co. AG in Burgdorf ab 1848 aufzeigt, belegt die grossen Herausforderungen für die Käsehändler.

Riskantes Exportgeschäft

Der Käsehandel im 19. Jahrhundert war erfolgreich, aber auch riskant. Er versprach zwar hohe Gewinne, denn die Klientel – darunter zahlreiche führende Herrschaftshäuser – war sehr zahlungskräftig. Doch der Käsehandel band auch viel Kapital und erforderte ein forsches Unternehmertum: Zunächst mussten die schweren Laibe auf eigene Kosten und eigenes Risiko gelagert und ausgereift werden. Dann kamen Gefahren beim aufwendigen Transport auf dem Land- oder dem Wasserweg durch Europa hinzu. Das notwendige Kapital für solche Unternehmungen brachten im Emmental nur wenige auf. Zu ihnen gehörten gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Langnauer Firmen Joost, Mauerhofer, Lehmann und Probst sowie das Burgdorfer Familienunternehmen G. Roth & Co. AG.

 

Die Flut von Emmentaler-Produzenten
und Exporthäusern

Der Erfolg des Emmentalers dauerte jedoch nicht an. Um 1870 mehrte sich die Zahl der Exporthäuser in bedenklichem Masse. Es wurde immer mehr Emmentaler produziert, wobei die frühere Qualität verloren ging. Zudem begannen andere Staaten, sich durch Schutzzölle gegen die Schweizer Warenflut zu wehren.

Die Gründe dafür, weshalb die Erfolgsgeschichte des Emmentalers gegen Ende des 19. Jahrhunderts ins Stocken geriet, liegen aber noch tiefer. Bereits zu dieser Zeit waren viele Emmentaler-Käser samt ihrem Know-how ausgewandert. Sie hatten in Russland und in europäischen Ländern Käse zu produzieren begonnen. Der Begriff Markenschutz galt dort nichts, darum florierte das Geschäft mit dem Käse mit den grossen Löchern auch weitab der Schweiz. So wurde in Ländern wie Norwegen, Rumänien oder Russland viel in die Entwicklung des Emmentalers investiert. Das hatte Folgen.

«Über die Abnahme des schweizerischen Exportes nach Russland darf man sich nicht wundern, wenn man an der gleichen Weltausstellung in Paris eine russische Firma auftreten sah, die alleine eine Produktion von 640 000 Kg. Käse nachweist», schreibt Heinrich Fehr im 1890 erschienenen «Bericht über Handel und Industrie der Schweiz im Jahre 1889».

Die Käselager mit Emmentaler waren in den 1980er-Jahren sehr gut gefüllt, im Bild Angestellte der Emmental AG von 1982. Doch mit dem Export harzte es immer mehr.

Der Niedergang des Emmentalers im 20. Jahrhundert

1890 wurde das erste Schweizer Markenschutzgesetz erlassen. «Endlich!», könnte man ausrufen. «Aber leider zu spät!» Denn da hatte die Emmentaler-Produktion schon in der halben Welt Fuss gefasst und das Ursprungsland des Originals wurde von überallher bedrängt …

Die Krise des Emmentalers, die fast das ganze 20. Jahrhundert lang dauerte, spitzte sich 1999 zu. Die Schweizerische Käseunion, welche die Ware bisher aufgekauft und im Ausland abgesetzt hatte, wurde aufgelöst, was viele Betriebe zur Schliessung zwang. Absatz und Preise sanken rapide. Die Streichung der Bundessubventionen führte zu einer weiteren Marktbereinigung: 1998 gab es 539 Emmentaler-Käsereien, 2017 waren es noch deren 128. 2017 lief der Greyerzer-Käse dem Emmentaler beim Export erstmals den Rang ab.

 

Der Export in der Krise, doch neue Firmen beleben die Tradition

Trotzdem entstanden neue Exportfirmen wie etwa die 2001 gegründete Firma Gourmino AG in Langnau oder die Fromage Mauerhofer AG in Sumiswald. Die Marke Mauerhofer kann zur Linie der gleichnamigen Firma gezählt werden, die im 19. Jahrhundert in Trubschachen und Burgdorf wirkte. Die Firma lagert und veredelt ihre Produkte in den Burgdorfer Sandsteinkellerräumen, wo einst das Handelsunternehmen der Gebrüder Mauerhofer (ab 1860) domiziliert war. Die Käselieferanten stammen heute aus dem ganzen Emmental. Die Käselaibe reifen im Burgdorfer Sandsteinkeller und werden zum Teil exportiert. Früher ging es um eine möglichst hohe Anzahl an Käselaiben, heute werden die einzelnen Laibe veredelt. Die Geschichte des Emmentalers kehrt an seine Ursprünge zurück.

Text: Jürg Spichiger

Bilder: ROTH-Stiftung Burgdorf, zvg

Zu lesen in der Ausgabe #64