Vom Tonstück zum farbenfrohen Kunstwerk
Martina Zurbrügg führt die Töpferei Aebi in Trubschachen im Emmental seit zwölf Jahren. Bekannt ist die Schautöpferei für ihre handgefertigten Keramikprodukte, die mit viel Herzblut und Sorgfalt traditionell hergestellt werden. Kunstvoll bemalte Vasen, Tassen, Krüge, Teller und Dekorationsartikel erfreuen die Kundschaft aus nah und fern.
Im tiefen Emmental, in Trubschachen, steht noch einer der wenigen traditionellen Töpferei-Betriebe der Schweiz. Geführt wird die Schautöpferei seit 2012 von Martina Zurbrügg. Die Faszination für die Keramik wurde ihr in die Wiege gelegt. Ihre Grossmutter und ihre Mutter waren begeistert von diesem Handwerk und gingen deshalb oft an Keramikmärkte und -ausstellungen. Martina Zurbrügg begleitete die beiden, weil sie nicht alleine zu Hause bleiben konnte. So entstand ihre Begeisterung für die Keramikkunst und für sie stand bald einmal fest: «Wenn ich gross bin, will ich Töpferin oder Keramikmalerin werden.» Als sie in der neunten Klasse war, gab es nur gerade zwei Lehrstellen für die Keramikmalerei: eine in Rheinfelden und eine in Hasle bei Burgdorf. So fing Martina Zurbrügg ihre Lehre bei der Töpferei Aebi an. An der Abschlussprüfung in Bern war sie die Einzige, welche die Lehre als Keramikmalerin abschloss. Alle anderen absolvierten die Töpferlehre.
Aufgewachsen ist die Künstlerin mit dem Gespür für Keramik im Berner Oberland, heute wohnt sie in Trubschachen. «Ich wollte immer in der Nähe meines Arbeitsortes wohnen.» Martina Zurbrügg arbeitete bereits jahrelang im Betrieb mit, bevor sie zur Geschäftsführerin der Schautöpferei ernannt wurde. «Als mich Markus Aebi 2011 anfragte, fühlte ich mich ehrlich gesagt schon etwas überfahren.» Schliesslich entschied sie sich dafür, die Töpferei zu übernehmen und die Keramikgeschichte weiterzuschreiben. Mit dieser Entscheidung ist sie noch immer sehr zufrieden: «Mein Beruf ist mein Hobby und mein Hobby ist mein Beruf.»
Jede Keramikmalerin hat ihre eigenen Werkzeuge zum Bemalen und Verzieren.
Die Tradition lebt weiter
Der frühere Familienbetrieb wurde im Jahr 1902 von Adolf Gerber in Hasle bei Burgdorf, genauer gesagt in der Tschamerie, gegründet. 1910 begann Franz Aebi seine Lehre in der Töpferei. Er verliebte sich in Adolf Gerbers Tochter Ida und bald heirateten die beiden. Nach dem Tod des Geschäftsinhabers im Jahr 1919 übernahm Franz Aebi die Töpferei. Von 1960 bis 1993 führte dann der gemeinsame Sohn Willy Aebi die Töpferei, bevor dessen Sohn Markus Aebi den Betrieb übernahm und im Jahr 2012 an Martina Zurbrügg weitergab.
1982 eröffnete die Filiale in Trubschachen, welche seit 2006 als einziger Standort der Töpferei Aebi genutzt wird. Hier werden die kunstvollen Gegenstände aus Keramik hergestellt und können im Laden nebenan auch direkt gekauft werden. In der sogenannten Schautöpferei haben die Besuchenden die Möglichkeit, die künstlerischen Arbeiten der Profis in der Werkstatt vom Laden aus zu bestaunen. An drei Drehscheiben werden das Geschirr und Co. aus Ton geformt, an drei Malplätzen wird das Gefertigte mit viel Fingerspitzengefühl verziert.
Heute arbeiten neben Martina Zurbrügg noch drei weitere Personen im Betrieb. Ab Sommer 2024 wird ein Lehrling in die Kunst des Töpferns eingeführt und kann in der Töpferei Aebi die Keramiklehre absolvieren. Die Schautöpferei fungiert nämlich als Ausbildungsbetrieb. Die Keramiklehre dauert vier Jahre. Heute sind das Töpfern und das Bemalen in einer Ausbildung untergebracht, früher waren es zwei eigene
Lehrgänge.
Im Laden der Schautöpferei empfangen und beraten die Kunsthandwerkerinnen Martina Zurbrügg und Lena Thierstein die Kundschaft persönlich.
Jahrelange Erfahrung und ein gutes Auge
Damit alle Stücke gleich aussehen, braucht es jahrelange Erfahrung und ein gutes Auge. Beispielsweise wird zuerst eine Tasse gedreht, danach wird der Boden geformt, damit das Gefäss steht, und anschliessend wird der Henkel angebracht. Um eine Tasse zu formen, braucht es 500 Gramm Ton. Der fertige Keramikbecher wiegt später aber nur noch gerade 300 Gramm. In der Schautöpferei in Trubschachen kommt jedoch nicht nur die Drehscheibe zum Einsatz: Kleine Tierfiguren werden beispielsweise in gegossene Gipsformen gequetscht oder der Ton wird verflüssigt und gegossen. Dabei wird alles in Handarbeit gefertigt. Den Ton bezieht der Töpferei-Betrieb in Einsiedeln, wo er in einer Grube abgebaut wird. Die Töpferei Aebi bestellt drei- bis viermal im Jahr eine Tonne Ton. Dieser wird dann im Keller kühl und dunkel gelagert.
Nachdem der Ton in die gewünschte Form gebracht wurde, folgt ein Farbbad. In der Töpferei Aebi geschieht dies in Schwarz, in der traditionellen Grundierungsfarbe der Berner Bauernkeramik. Anschliessend werden die Stücke an der Luft getrocknet. Martina Zurbrügg bemalt den Ton, sobald er «lederhart» ist, wie sie es nennt. Der Ton könnte auch in feuchtem oder gebranntem Zustand bemalt werden, doch die Geschäftsführerin der traditionsreichen Unternehmung bevorzugt es, ihn zuerst ein bisschen antrocknen zu lassen.
Farbentwicklung dauert sechs Monate
Die Farben werden in der Töpferei Aebi anhand einer eigenen Rezeptur hergestellt. Dabei müssen sie an den Ton angepasst werden, damit die Farben auch richtig haften. Hergestellt werden sie aus Farbpigmenten und Metallverbindungen. Die Entwicklung einer neuen Farbe dauert rund sechs Monate, da getestet werden muss, wie sich die Farbe durch den Brennprozess verändert. Auch muss beachtet werden, ob die Farbe hitzebeständig und waschmaschinentauglich ist. Mit dem sogenannten Malhörnchen wird die Farbe dann aufgetragen. Früher bestand dieses aus Ziegen- oder Kuhhörnern, gemalt wurde mit einer Hühnerfeder. Heute ist das Malhörnchen aus Keramik und der Zahnstocher hat die Hühnerfeder abgelöst. Martina Zurbrügg verwendet am liebsten ein Gummihörnchen. «Der Vorteil ist, dass die Farbe damit nicht austrocknet», so die kreative Handwerkerin.
Wie die Stücke konkret bemalt werden, welche Technik eingesetzt wird und welche Sujets zum Zug kommen, bestimmt jede Töpferei selbst. So entstehen unverwechselbare Unikate. Da die Töpferei Aebi Berner Bauernkeramik herstellt, sind auch ihre Sujets traditionell. Beliebt sind beispielsweise der sogenannte Scherenschnitt oder Ornamente. Beim Scherenschnitt kommen unter anderem der Alpaufzug und andere traditionelle Motive zum Zug. Auch Kundenwünsche werden umgesetzt. Bei der Fertigung wird nicht nur gemalt, sondern auch geritzt. Dies geschieht ebenfalls von Hand. Lediglich bei Kundenaufträgen mit einem Logo müsse sie zur Schablone greifen, erzählt Martina Zurbrügg. Wenn es um die Werkzeuge für die Verzierung der kleinen Kunstwerke geht, ist die Töpferei Aebi innovativ. Beispielsweise werden Kugelschreiber, Zahnstocher oder Bleistifte umfunktioniert. Das Messer dient als Radierer und mit flüssigem Ton können Fehler korrigiert werden.
Nachdem die Keramik bemalt und verziert worden ist, wird sie in eine durchsichtige Glasur getunkt. Diese dient als Klebemittel und besteht aus Kaolin, Quarz und Feldspat. Im Ofen fliesst die Glasur aus. «Wie Zucker beim Erwärmen in der Pfanne», so Martina Zurbrügg. Man müsse deshalb gut aufpassen, dass sich die Krüge, Tassen, Schälchen etc. nicht zu nahe kommen.
Tausende Tassen bemalt
Im Ofen wird die Keramik bei 1000 Grad Celsius gebrannt. Der gesamte Brennprozess dauert 24 Stunden, davon werden 12 Stunden fürs Aufheizen des Ofens eingesetzt. Die Töpferei in Trubschachen verfügt über zwei Öfen, einen grossen und einen kleinen. Im Ofen herrscht ein Unterschied von 20 Grad Celsius zwischen dem unteren und dem oberen Teil. Deshalb ist es wichtig, dass die Ware richtig eingeräumt wird, damit alles so gebrannt wird, wie es sein muss. Ausserdem ist entscheidend, dass die Keramik hohl und richtig getrocknet ist, bevor sie in den Ofen kommt, sonst zerspringt sie. Vom nassen bis zum gebrannten Zustand schrumpft der Ton um etwa acht Prozent. Jedoch kommt es immer auf den Ton an, denn jeder hat eine andere Schwindung.
Die Bestseller der Töpferei Aebi sind Krüge und Tassen.
«Ich weiss nicht, wie viele Tausend Krüge und Tassen ich bereits bemalt habe. Aber es macht immer wieder aufs Neue Spass», so Martina Zurbrügg. Trends sind auch in der Emmentaler Töpferei wichtig. Doch man könne nicht immer auf alle Entwicklungen eingehen, entweder weil sich diese nicht für die Keramik eignen oder weil sie zu kurzweilig sind. Man müsse dies gut abwägen, weil die Produktion etwa einen Monat dauert. Jedoch könne problemlos auf Trendfarben oder auch auf Trendsujets eingegangen werden. Beispielsweise wurde der Flamingo zum Verzieren eingesetzt, als er im Trend war. Heute gibt es nur noch wenige Betriebe in der Schweiz, die vollumfänglich vom Töpfern leben können. «Man kann sie an einer Hand abzählen», weiss Martina Zurbrügg. Drei Betriebe stellen noch traditionelles Geschirr her. Die Coronapandemie hat bei der Töpferei Aebi einen Boom ausgelöst. Es wurde deutlich, dass sich die Menschen in dieser Zeit mehr Gedanken zu ihrem Geschirr gemacht und vermehrt auf Tradition und heimische Qualität gesetzt haben. Diese Entwicklung hat sich für die Schautöpferei Aebi als nachhaltig erwiesen.
Töpfern ist eines der ältesten Handwerke. Begonnen hat es mit der sogenannten Würstli-Technik, bei der Röllchen aufeinandergeschichtet und glatt gestrichen werden, sodass die gewünschte Form entsteht. Die erste Drehscheibe wird auf etwa 3000 Jahre vor Christus datiert. Sie ermöglichte schliesslich das Hochziehen des Tons, wodurch neue Formen entstanden.
Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wird Keramik dekoriert. Zuvor wurde sie höchstens glasiert oder verformt. Im 18. und 19. Jahrhundert kam eine Reihe von neuen Techniken auf: Man fing an, Keramik auf verschiedene Arten zu bemalen und zu dekorieren.
Keramik wurde früher ausschliesslich in den Städten produziert. Im Kanton Bern fand die Produktion beispielsweise in Bern, Burgdorf oder Thun statt. Auf dem Land gab es vorerst wenige Handwerker, was sich zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert änderte. Es entstanden sogenannte Landmärkte. Im 19. Jahrhundert gab es über 90 Dörfer, in denen ein Töpfer, auch Hafner genannt, lebte. Im Emmental war Langnau die Gemeinde mit der längsten Tradition der Töpferei und hatte einen hohen Stellenwert. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts genoss der Langnauer Stil ein besonderes Ansehen. Mit der Zeit wurde die Konkurrenz durch Heimberg und Steffisburg immer grösser.
Heute hat die Keramikmalerei an Bedeutung verloren. Durch die Globalisierung wird Keramik vor allem importiert, was zu einem Aussterben der heimischen Töpfereien führt.
Text: Aira Flückiger
Bilder: Dyle Berger, zvg