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Der Schwarzspecht:ein Höhlenbauer im Aufwind

Spechte sind die Holzarbeiter unter den Vögeln. Ihre selbstgezimmerten Höhlen dienen nicht nur ihnen als Wohnung, sie werden auch oft von tierischen Nachmietern übernommen. Dies gilt besonders für die Behausungen des Schwarzspechtes, dem grössten einheimischen Specht. 2011 wurde er von BirdLife Schweiz zum Vogel des Jahres gewählt.

Der Schwarzspecht ist eine sogenannte Schlüsselart des Waldes, da besonders viele Tierarten von seiner Bautätigkeit profitieren. «Er ist ein Botschafter für einen naturnahen Wald mit viel Alt- und Totholz», sagt Stefan Greif, Projektleiter Artenförderung bei BirdLife Schweiz. Mehr als ein Jahrzehnt später scheint die Wahl Wirkung gezeigt zu haben: Die Bestände des mit Ausnahme des roten Scheitels einheitlich schwarz gefärbten Spechtes haben sich stark vergrössert. «Dies hat damit zu tun, dass Höhlenbäume stehengelassen und in einigen Regionen Waldreservate mit Nutzungsverzicht ausgeschieden sind», so Greif. Zudem gebe es wieder mehr Alt- und Totholz im Wald.

 

Scheuer Rufer mit typischen Specht-Werkzeugen

Der krähengrosse Schwarzspecht ist ein eher scheuer Vogel, den man meist nur mit Glück und im Wegfliegen erblickt. «Dabei zeigt er den spechttypischen Wellenflug – auf und ab», sagt Stefan Greif. Häufiger vernimmt man seinen Ruf, der aus unterschiedlichen Lautäusserungen besteht. Der Flugruf etwa ähnelt einem «kürr-kürr-kürr». Mehrere Kilometer weit zu hören ist auch das kräftige Trommeln. Die Wohnungen des Schwarzspechts unterscheiden sich von anderen Spechthöhlen durch ihre Grösse von ca. zwölf auf neun Zentimeter sowie die ovale Form. Wie anderen Spechtarten erleichtern dem Schwarzspecht mehrere «Werkzeuge» die Arbeit an und im Holz: Spitze Krallen – zwei nach hinten und zwei nach vorne gebogen – dienen als Steigeisen beim Hochklettern, der Schwanz stützt den Körper am Baumstamm ab, der mächtige Schnabel entspricht einem Holzmeissel.

Die Hauptnahrung des Schwarzspechtes besteht aus Ameisen und holzbewohnenden Käferlarven, die er mit seiner langen, klebrigen Zunge aus dem Totholz hervorzieht. Seinerseits muss sich der Schwarzspecht unter anderem vor Habicht und Baummarder in Acht nehmen. «Der Habicht ist als Top-Prädator auch für einen ausgewachsenen Schwarzspecht gefährlich», so Stefan Greif. Hingegen gelingt es dem Marder manchmal, die ganze Brut auszuräumen. Höhlen in Buchen (mit glatter Rinde), die mehrere Meter über dem Erdboden liegen, erreicht der wendige Baummarder aber schlecht.

 

Glänzend schwarzes Gefieder und ein roter Scheitel (bwz. Genickfleck beim Weibchen): Der Schwarzspecht ist unverwechselbar.

Pilze als Helfer beim Höhlenbau

Für seine Höhlen benötigt der Schwarzspecht alte und dicke Bäume, bevorzugt Buchen. Der Höhlenbau ist ein langfristiges Projekt, wie Greif erklärt: «Zwischen dem ersten Schlag ins Holz und der Fertigstellung der Höhle können mehrere Jahre vergehen.» In der Zwischenzeit dringen holzzersetzende Pilze ins Holz ein, weichen es auf und erleichtern so dem Specht die weitere Arbeit. Studien haben gezeigt, dass der Schwarzspecht fast ausschliesslich Buchen mit einem faulen Kern «anschlägt», auch wenn diese von aussen völlig gesund aussehen. Anscheinend erkennt der versierte Höhlenbauer am Ton des Holzes, ob der Baum bereits von Pilzen befallen und so einfacher zu bearbeiten ist.

Ein Schwarzspechtpaar nimmt mehrere Höhlen in Anspruch – je eine für die Übernachtung und eine zum Brüten. «Nach einigen Jahren verlassen sie die alten Höhlen und bauen neue», erläutert Stefan Greif. Die Höhlen bieten nach dem Auszug wertvollen Wohnraum für zahlreiche Waldbewohner. In Europa sind rund sechzig tierische Nachmieter bekannt, von Baummardern oder Hohltauben bis hin zu Käfern und Hornissen. «Der Raufusskauz ist derart abhängig von den Schwarzspechthöhlen, dass er fast nur in Wäldern vorkommt, in denen auch der grosse Specht lebt», weiss Stefan Greif. Da die Höhlen oft bis zu dreissig Jahre lang existieren, können sie im Laufe der Jahre von verschiedenen Tieren mit unterschiedlichen Bedürfnissen besiedelt werden. Sogar Höhlen, in die bereits Wasser eindringt, stehen nicht zwingend leer. «Fledermäuse zum Beispiel mögen es etwas feucht und besiedeln auch solche Höhlen.» Der Schwarzspecht fördert mit seiner fleissigen Bautätigkeit also die Biodiversität im Wald.

Sobald die Jungvögel etwas grösser sind, werden sie am Höhleineingang gefüttert.

Vielbeachtete Suche nach dem Verschollenen

Noch grösser als der Schwarzspecht ist der sagenumwobene Elfenbeinspecht, früher verbreitet in den Sumpfwäldern im Südosten der USA. Der Elfenbeinspecht gilt als ausgestorben, der letzte sichere Nachweis stammt von 1944. Immer wieder war seitdem jedoch von Sichtungen die Rede. Zuletzt untersuchten Ornithologen in aufwändiger Arbeit zehn Jahre lang ein Waldgebiet in Louisiana. Das Resultat: unscharfe Foto- und Videoaufnahmen, die den Elfenbeinspecht zeigen sollen. Der eindeutige Beweis fehlt somit weiterhin; manche Ornithologen interpretieren die Belege als Aufnahmen des sehr ähnlichen Helmspechts. Dass der eindrückliche Vogel – auch «Lord God Bird» genannt – überlebt hat, ist auch für Stefan Greif eher unwahrscheinlich. Der Medienrummel, den die Suche und die Aufnahmen auslösten, könne dem Naturschutz aber dienen. «Solche Ereignisse verhelfen bedrohten Arten zu mehr Aufmerksamkeit. Und selbst wenn es dem Specht nicht mehr hilft – viele andere Arten profitieren von den Schutzbemühungen um ihren bedrohten Lebensraum».

Text: Thomas Neuenschwander

Bilder: Hanspeter Inniger

Zu lesen in der Ausgabe #58