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La famiglia in Grosshöchstetten

Der Familie Caci ist es gelungen, die ehemalige Mühle in Grosshöchstetten vor dem Untergang zu bewahren. Dank viel Hingabe und Liebe zum Detail ist die Mühle heute ein Lebens-, Arbeits- und Kulturort mit grosser Anziehungskraft.

Die Geschichte der Cacis begann schon sehr besonders: Noch bevor Salvatore auf der Welt war, hatten seine Eltern – beides Gastarbeiter aus Sizilien – bei den Grosseltern von Magdalena in Worb ein Zimmer gemietet. Die Mutter von Magdalena und die Mutter von Salvatore waren zu dieser Zeit gleichzeitig schwanger, und somit lagen die beiden bereits in den Bäuchen neben-einander. Sie gingen zusammen in die Schule und waren schon damals befreundet. 1968 lancierte Nationalrat James Schwarzenbach eine Initiative mit dem Ziel, die Überfremdung der Schweiz zu verhindern und mehr als 300’000 vorwiegend italienische Gastarbeiter nach Hause zu schicken. Dies war der Startschuss zu einer beispiellosen Hetzkampagne, die über Jahre andauerte, die Schweizer Bevölkerung entzweite und 1970 nur hauchdünn verworfen wurde. Während dieser heiklen Zeit zogen Salvatore und seine Eltern aus Angst zurück nach Italien in die Region Asti im Piemont. Dort lebte die Familie rund sechs Jahre, bevor sie die Rückkehr in die Schweiz wagte. Einige Jahre lebten Magdalena und Salvatore, ohne gross Kontakt zu halten und kamen erst durch ihre Brüder, die zusammen die Ausbildung absolvierten, wieder in Kontakt. Sie verliebten sich und gingen von da an zusammen durchs Leben.

 

Mädes Figuren

Magdalena stammt aus einer Töpferfamilie. Ihr wurde die Faszination für das filigrane Handwerk in die Wiege gelegt. Für sie war immer klar, dass sie die Familientradition weiterführen würde. Die gelernte Keramikerin wagte sich nach der Keramikfachklasse in Bern schon sehr früh in die Selbständigkeit. Noch heute gibt es für sie nicht Schöneres, als in der Werkstatt kreativ zu sein und ihrer grossen Leidenschaft nachzugehen. Ihren unverkennbaren Stil hat sie schon längst gefunden. Ihre Objekte und Figuren müssen leben, nicht so stier sein und manchmal auch ein wenig provozieren. Dass nackte Nonnen aus Keramik am Strassenrand in Grosshöchstetten schnell zum Dorfgespräch werden könnten, war ihr natürlich bewusst. Eine wichtige Inspirationsquelle war schon früh ihr Onkel Ueli Schmutz. Seine Bindung an die traditionelle Berner Bauernkeramik war bald verflogen und es drängte ihn, Figuren und Töpferplastiken nach seinem Sinn zu gestalten. Seine vielgestaltigen und farbigen Vögel oder Clowns wiesen auch Magdalena einen Weg vorbei an der klassischen Geschirrproduktion.

 

Hansdampf in allen Gassen

Salvatore sollte als Bäcker-Konditor seinen Lehrbetrieb übernehmen. Er hatte sogar schon die konkrete Offerte auf dem Tisch. Magdalena wollte sich aber ein Leben als Bäckersfrau nicht wirklich vorstellen und konnte Salvatore doch noch von seinem Plan abbringen. Ihm spielte es damals gar nicht so eine grosse Rolle wie, er wollte einfach selbstständig erwerbend sein. Er entschied sich, bei seiner Frau, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine eigene Töpferei im Haus ihrer Eltern führte, die Lehre als Töpfer anzutreten. Diese schloss er erfolgreich ab, und ab da verdienten sie ihre Brötchen während vieler Jahre mit ihrer Töpferei und dem Verkauf ihrer Ware auf dem Markt in Bern. Das Töpfern ist bis heute eine grosse Leidenschaft und ein wirtschaftliches Standbein geblieben. Salvatores zweite grosse Leidenschaft war schon immer das Kochen und Backen. Seine Kochkünste waren bei Freunden und Bekannten «berüchtigt», und so kamen sie immer öfter mit Bestellungen für Anlässe zu ihm. Langsam wuchs daraus ein zweites Standbein, welches ebenfalls bis heute ein wichtiger Teil der Identität der Familie Caci ist.

Ihr wurde die Faszination für die Töpferei  in die Wiege gelegt: Mäde in ihrem Atelier im Obergeschoss der Mühle.

Salvatore und das Eisen

Irgendwann brauchte Magdalena Kerzenständer und ein Gestell aus Metall. Sie beauftragte damit Salvatore. Eine folgenschwere Entscheidung. Denn dieser ging damit zu Magdalenas Vater, der das Schweissen beherrschte, und lernte von ihm kurzerhand das Handwerk. So kam es, dass immer mehr Kunden in der Töpferei anstatt Keramik Metallgestelle und geschweisste Kunstwerke von Salvatore kaufen wollten. Und so richtete er sich in der Garage an der Hauptstrasse ein Atelier für seine Metallbearbeitung ein. Seine Kunden und Aufträge sind heute enorm divers; er kreiert Spiegel, Geländer, Kerzenständer, Pflanzenstützen und sogar ganze Pavillons. Alle seine Kreationen sind gedreht und verspielt – Salvatores Markenzeichen. Sich selber verbiegt er aber nicht. Er lässt lieber einen Auftrag sein, wenn er sich nicht die Zeit nehmen kann, um seinem eigenen hohen Qualitätsanspruch gerecht zu werden.

 

Die Mühle

Die erste überlieferte Konzession der Mühle stammt aus dem Jahr 1571; der Herr von Wyl, dem heutigen Schlosswil, bewilligte deren Bau und Betrieb. Sie wechselte mehrmals Besitzer und Betreiber. 1960 übernahm die Grossmetzgerei Gerber AG das Areal und nutzte die Mühle fortan als Fettlager für die angrenzende Knochenmühle, einem verarbeitenden Betrieb von Schlachtabfällen wie Knochen, Fett und Blut. Mit dem BSE-Skandal Ende der 1990er-Jahre brach die Nachfrage nach Tiermehl ein, die Produktion wurde eingestellt und die Tanks mit dem Fett teilweise einfach halbvoll zurückgelassen. Ein übler Geruch breitete sich nach und nach in dem Gebiet aus.

Bevor die Cacis «ihre» Mühle 2001 aus dem Dornröschenschlaf erweckten, spielte sich ihr Leben in Grosshöchstetten in einem Haus an der Hauptstrasse ab. Als ihnen eines Tages ein guter Freund mitteilte, dass er aus der kleinen Wohnung unten in der ehemaligen Mühle ausziehe, wurden Salvatore und Mäde hellhörig. Sie wollten weg von der lärmigen Strasse und wussten, dass die Miete der Wohnung nur hundert Franken im Monat betrug. Kein Wunder, denn niemand wollte wegen den üblen Gerüchen dort wohnen. Schon bald zogen Mäde und Salvatore mit Kind und Kegel in die Wohnung. Es dauerte nicht lange, da klingelte ein Immobilienverwalter an der Tür und teilte ihnen mit, dass sie aufgrund eines geplanten Bauprojekts auf dem Areal wieder ausziehen müssten. Salvatore und Mäde wehrten sich beim Besitzer und zeigten ihm auf, dass aus den historischen Mauern und den angrenzenden Gebäuden ein Ort für kreative Schaffer und eine bunte Kultur werden könnte. Der Besitzer bevorzugte ihre Ideen und übergab Salvatore noch am gleichen Abend die Schlüssel und die Pläne. Er solle sich Zeit nehmen und seine Ideen konkretisieren. Dieser wollte zu Beginn eigentlich nur eine günstige Wohnung. Jetzt befanden sich Cacis plötzlich in einer ganz neuen Ausgangslage.

Die Mühle galt wegen ihrer beeinträchtigten Bausubstanz als Abbruchobjekt, und der Rückbau der hoch brennbaren Fettspeicher aus den alten Gemäuern war eine grosse Herausforderung. Die Firma Gerber AG bot zum Glück grosszügig Hand. Dank dem unermüdlichen persönlichen und finanziellen Engagement der Familie und ihrer Verwandtschaft konnte die Mühle erhalten werden. Die Cacis und ihre Helfer bauten die Infrastruktur des Eventlokals, Salvatores Kunstschmiedewerkstatt und Mädes Keramikatelier mit minimalen Eingriffen in die historische Bausubstanz ein. Sehr zur Freude der Denkmalpflege. Das Kulturzentrum «Kühltür» bezog die Räume der Grossmetzgerei aus den 1960er-Jahren, darüber liegen eine Malerwerkstatt, ein Kunstatelier, eine Wohnung und die Backwerkstatt von Lucrezia Caci, der Tochter von Salvatore und Mäde.

Die Cacis: Mäde, Lucrezia mit Sohn Leonardo, Salvatore und Cesare Mimo Caci (v.l.n.r.)

Der Garten

Tritt man aus der Mühle in den Garten, kommt man einen Moment nicht mehr aus dem Staunen heraus. Die aufwändig gepflegte Anlage ist ein märchenhafter Ort mit vielen Nischen und Sitzgelegenheiten, schmalen Pfaden, einer Vielzahl an Pflanzentöpfen und Blumenrabatten. Man vernimmt das Plätschern des Wassers aus einem steinernen Brunnen und das sanfte Rauschen des Mühlebachs. Dieser Bach kommt nur gerade hier in Cacis Garten zum Vorschein. Sonst fliesst er unterirdisch durch das Dorf. Wo man hinschaut, stehen, liegen und hängen Keramik- und Eisenobjekte im wunderschönen Kontrast zu den sorgfältig ausgewählten grossen und zierlichen Pflanzen. Es ist Salvatores grosser Stolz und Ausdruck des ausgeprägten Sinns für Ästhetik der ganzen Familie.

 

Herzliche Gastfreundschaft

Als es in den 90er Jahren nach und nach schwieriger wurde, von der Töpferei zu leben, setzten Salvatore und Mäde immer stärker auf den Bereich Gastronomie. Wie fast alles bei den Cacis ist auch dieser Bereich zu Beginn nur langsam gewachsen. Doch mittlerweile ist er das zentrale Standbein für die ganze Familie. Denn mit Lucrezia, der gelernten Konditorin-Confiseurin und Wirtin, ist heute schon die nächste Generation mit an Bord und bekocht nicht nur die Gäste, sondern stellt auch die Pasta und die Desserts auf den berühmten Spiegeln von Salvatore selber her. Eine wichtige Kraft bei diesem Projekt war auch immer Cesare Mimo Caci, der Sohn der beiden. Von seinem Netzwerk und seinem Verhandlungsgeschick konnte das Vorhaben immer wieder profitieren. Die Cacis sind Gastgeber durch und durch. In ihrer Mühle werden Hochzeiten, Geburtstage oder sonstige Feste ganz und gar nach den Wünschen der jeweiligen Gesellschaft gefeiert. Bei den Cacis ist alles handgemacht, alles entsteht mit viel Hingabe und Liebe zum Detail. Damit die Züpfe am Tag des Anlasses auch wirklich frisch ist, steht Salvatore am Morgen bereits um fünf Uhr in der Küche. Eine gekaufte oder aufgebackene Züpfe? Für ihn unvorstellbar. Bei den Cacis gibt es keine Massenware und keine Gewinnoptimierung. Egal ob Figuren aus Keramik, kunstvoll geschwungenes Metall, kulinarische Köstlichkeiten oder die herzliche Gastfreundschaft – man fühlt sich einfach wohl an diesem Ort.

Text: Torfinn Rothenühler

Bilder: Marco Meneghini / zvg

Zu lesen in der Ausgabe #57