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Die Kirche Würzbrunnen, historisches Bauwerk und Filmkulisse

«Von besonderem Reiz ist die Lage der Kirche auf einer flachen Waldwiese». So wird oft die idyllische Lage der Kirche Würzbrunnen in der Gemeinde Röthenbach im Emmental beschrieben. Wie kaum in einer anderen bernischen Landkirche vereinigen sich geschichtliche Bedeutung, architektonische Kostbarkeit und landschaftliche Schönheit auf so anziehende Weise wie in der Kirche Würzbrunnen.

Ein liebliches und intaktes Emmental brachte Franz Schnyder mit seinen Gotthelf-Verfilmungen in den 1950er- und 1960er-Jahren ins Kino. Mit der Verfilmung «Ueli der Knecht» 1954 schuf Schnyder mit den Schauspielern Liselotte Pulver und Hannes Schmidhauser das Liebespar der 50er Jahre. Mit der Szene des Einzugs der Hochzeitsgesellschaft in der Kirche wurde die Kirche Würzbrunnen als Drehort für viele der Inbegriff der Hochzeitskirche. Seither ist das Würzbrunnenkirchlein im Emmental für zahlreiche Hochzeitspaare die erste Wahl, suchen doch Brautpaare heute immer mehr nach der perfekten Lokalität.

Würzbrunnen steht auf einer Wiesenfläche umgeben von Wald, dem intakten in die Landschaft eingebetteten Kirchenbezirk und dem angrenzenden Hof Würzbrunnen. Die Aussicht reicht an schönen Tagen vom Hohgant zum Niesen und bis zu den Berner Alpen. Je nach Wetter wirkt der Ort Würzbrunnen auf den Besucher mystisch, heilig, hell, fröhlich und besinnlich. Oder eben garstig, gespenstisch und furchteinflössend. Die Atmosphäre kann sehr speziell sein, und einige Leute behaupten, hier einen Kraftort zu spüren. Schon beim Betreten des Kirchenhofes schildern sie ein Gefühl von Zugehörigkeit und Ankommen, und beim Eintreten in die Kirche fühlen sie sich geborgen und behütet.

 

Historischer Rahmen

Der Ursprung der Örtlichkeit Würzbrunnen findet sich in seiner ersten, für das Emmmental frühen urkundlichen Erwähnung der Gründung einer Zelle durch das Cluniazenser-Kloster Rüeggisberg in Röthenbach. Obwohl die Zelle Röthenbach, deren Stifter wir nicht kennen, schon in einer Bulle von Papst Eugen III. 1148 als Anhängsel von Rüeggisberg genannt wird, ist kaum anzunehmen, dass Röthenbach schon dem ursprünglichen Güterbestand des Klosters auf dem Längenberg angehörte. Das kleine Priorat Röthenbach und die Kirche Würzbrunnen war durch alle Jahrhunderte hindurch bis zur Reformation im engsten Abhängigkeitsverhältnis zum Priorat Rüeggisberg. Erst ab dem 15.Jahrhundert liegen mehr Dokumente vor, so dass das Bild des Priorates und der damit verbundenen Kirche Würzbrunnen wenigstens in den Umrissen erfasst werden kann.

 

Wallfahrt nach Würzbrunnen

Die Ursprünge der Wallfahrt nach Würzbrunnen sind unbekannt. Eine wichtige Rolle beim Ausbau Würzbrunnens zur Wallfahrtskirche spielte sicherlich die Territorialpolitik Berns. Ein sicherer Beweis für die Nutzung als Wallfahrtskirche liefert eine Urkunde von 1408. Darin wird der Heilige Stephanus als Namensgeber (Patrozinium) genannt. Die starke Frömmigkeit im 15. Jahrhundert wurde von einer breiten Bevölkerungsschicht praktiziert und gelebt. Der Berner Rat rief bei den schweren Epidemien zwischen 1478 und 1493 zu Wallfahrten und Gebeten auf, und die Bevölkerung wurde zu einer gesteigerten christlichen Lebensführung angehalten.

Ein Grund für die Errichtung eines Wallfahrtsortes in Würzbrunnen war sicher die Lage der Kirche am wichtigen mittelalterlichen Verbindungsweg von Burgdorf nach Thun. Die Anwesenheit der Pilger bezeugen die an der Westwand heute noch sichtbaren Pilgerzeichen als Grafitti und Zeichnungen. Die mehrmaligen Darstellungen und Erwähnungen des Heiligen Stephanus bezeugen die Weihung der Kirche an diesen Heiligen. Nebst dem Heiligen Stephanus sind in Würzbrunnen weitere Märtyrer dargestellt und wurden zu persönlichen Vertrauten der Besucher. Der Wandel zur Wallfahrtskirche machte Würzbrunnen weit über die Pfarrei hinaus bekannt.

Blick auf den Chor, die Kanzel und die Holzdecke mit den Flachschnitzereien

Baugeschichte

Die Malereien und die Kirche wurden 1927 unter den Schutz des Bundes gestellt. Der Grundriss und der aufgehende Bestand der Saalkirche mit rechteckigem und um Mauerstärke eingezogenem Altarhaus entspricht weitgehend dem Übergang von der romanischen zur gotischen Zeit. Der Wiederaufbau der Kirche nach dem Brand von 1494 gaben dem Baukörper die Architektur des ausgehenden Mittelalters. Die Grenze zwischen Chorzone und Laienschiff wurde beim Wiederaufbau bewahrt. Das 1495 zusammen mit der Decke angebrachte, senkrecht stehende Deckenbrett übernimmt die Funktion des früheren Triumphbogens und grenzt das Schiff vom Chor ab. Würzbrunnen steht mit dem hölzernen Ersatz für den Triumphbogen als einzigartiges Beispiel im Kanton Bern da.

Die Kirche wurde nach der Reformation vermutlich vorerst ohne tiefgreifende Änderungen übernommen. Im Innern passte man die Organisation des Raumes ab dem 18. Jahrhundert sukzessive den Bedürfnissen des reformierten Gottesdienstes an.

 

Die Malereien

Inschriften, Stifterwappen oder Jahrzahlen, die zur genauen Datierung der Wandmalereien in Würzbrunnen beitragen könnten, fehlen. Stilistisch können die Malereien an der Westwand über dem Hauptportal in die Zeit um 1400 eingeordnet werden. Über den Auftraggeber der Malereien an der Westwand und der Aposteldarstellung im Chor sind keine Aufzeichnungen vorhanden. Sicher kann festgehalten werden, dass die offenbar grösseren Einnahmen aus dem Opferstock eine Beauftragung ermöglichten. Bei den Abbildungen an der Westfassade, unter dem Vordach geschützt, neben und über der Hauptpforte, handelt es sich um Darstellungen von Christus als Schmerzensmann, dem heiligen Christopherus als Riesen und die beiden Heiligen Stephanus und Vinzenz.

Die Abbildungen an der Nordwand im Chor entstanden erst nach dem Brand von 1494 und bedeckten womöglich einst die gesamte Längswand des Chors. Vermutlich waren ursprünglich alle zwölf Apostel im Chor abgebildet. Erhalten sind der Nimbus des Johannes mit Kelch und Schlange, der Kopf des Jakobus minor, Thomas mit Lanze und Buch sowie Jakobus maior mit Muschel.

Das ganze Kircheninnere wurde im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts mit ornamentalen, schwarz-weissen Malereien und Schriften verziert. Die Holzdecke verleiht dem Innenraum einen ganz besonderen, warmen Ton. Die Holzdecke mit der Flachschnitzerei in Würzbrunnen entstand 1445. Ein gesteigertes Bedürfnis nach Repräsentation hing mit einem neuen Selbstbewusstsein des Stadtstaates zusammen. Die Flachschnitzerei übernimmt die Funktion eines Bildes an der Decke und war für alle Besucher sichtbar. Grosse Teile der Decke sind mit Flachschnitzereien und farbigen Bemalungen versehen.

Blick auf die Empore und die Orgel von Orgelmacher Peter Schär aus Sumiswald

Die Orgel

Der Orgelbauer Peter Schärer aus Sumiswald baute im Jahr 1785 für die Kirche Würzbrunnen ein Instrument mit neun Registern. Glücklicherweise ist sein Werk von grösseren Eingriffen verschont geblieben. Erwähnenswert ist die erhalten gebliebene Balganlage auf dem Kirchenestrich.

 

Würzbrunnen in Film und Literatur

Täler und Gräben, sanfte Höger und saftig grüne Hügel, Einzelhöfe und knorrige Menschen. Die Landschaft und seine Menschen faszinierten immer wieder Filmemacherinnen und -macher. Franz Schnyder kannte das Emmental und hat den Drehort hauptsächlich aus bildlich-ästhetischen Gründen gewählt. Als strahlend weiss getünchte Kirche, umgeben von Wald, die Berner Alpen im Hintergrund, bietet sich die Kirche Würzbrunnen an für historische Verfilmungen. So hat die Szene aus der Gotthelf-Verfilmung «Änneli, gib mer es Müntschi» die Würzbrunnen-Kirche einem Millionenpublikum bekannt gemacht.

Text: Jonas Glanzmann

Bilder: Alle Abbildungen History Projects, Jonas Glanzmann, Laupen, mit Ausnahme von Fotoalbum Franz Schnyder

Zu lesen in der Ausgabe #57