Burg Grimmenstein
Heute gibt es in unserem Raum praktisch kein Fleckchen Landschaft mehr, das nicht durch den Menschen bewusst oder unbewusst verändert wurde. Dabei hinterliessen die Menschen Spuren in Form von Wällen, Gräben, Terrassierungen, Flurgrenzen und Hohlwegen, die sich noch lange Zeit als grössere oder kleinere Reliefunebenheiten an der Erdoberfläche abzeichneten.
Das Gemeindegebiet des heutigen Wynigen war schon in vorgeschichtlicher, römischer und mittelalterlicher Zeit besiedelt. Massgebend für die Besiedlung der Gegend waren sicher die verkehrsgünstige Lage und die gut zu bewirtschaftenden Anhöhen von Leggiswil, Rüedisbach, Ferrenberg und Friesenberg. Alle Orte werden spätestens ab dem 13. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Damit dürften sie zum Ausbaugebiet des hohen Mittelalters gehören.
Wynigen wird als Familienname 1185 erstmals genannt. Im Grenzgebiet zwischen Oberaargau und Emmental, auf dem Boden der heutigen Gemeinde Wynigen, standen gleich drei mittelalterliche Burgen, nämlich Grimmenstein, Friesenberg und Schwanden. Alle drei waren Herrschaftszentren und entstanden wahrscheinlich durch Rodungen. Die Burgen wurden in der Folge Ausgangspunkte einer kleinen Herrschaft, aber auch zu repräsentativen, wehrhaften Wohnsitzen der Adelsfamilien. Als multifunktionale Anlagen dienten sie ausserdem dem Schutz und der Verwaltung ihres Grundbesitzes, der intensiven Produktion und dem Umschlag von gewerblichen Gütern sowie als Versammlungsplätze für politische, militärische und gerichtliche Zwecke.
Die Burgruine Grimmenstein ist Zeuge einer eindrücklichen Geschichte, die mit der ganzen Region fest verknüpft ist. 750 Jahre sind es her, dass diese majestätische und mit grosser Ausdruckskraft erfüllte Burg erstmals urkundlich erwähnt wird. Die Burg bildete wohl immer das Zentrum der Herrschaft Wynigen. Die Gegend gehörte zunächst zum zähringischen, ab 1218 bis zum Burgdorferkrieg von 1383 zum kyburgischen Herrschaftsgebiet. Die Grafen von Kyburg setzten Dienstleute zur Verwaltung der Herrschaft Wynigen auf Burg Grimmenstein ein.
Die Ruine Grimmenstein wird nur noch selten besucht.
Burgensterben
Petrus de Grimestein ist der erste bekannte Herr von Grimmenstein und als Dienstadliger nannte er sich nach der Burg. Er war den Grafen von Kyburg unterstellt, in deren Auftrag er über die Herrschaft Wynigen waltete.
Der sogenannte Burgdorferkrieg von 1383 und weitere Auseinandersetzungen der Kyburger mit der Stadt Bern bewirkten auf dem Land ein eigentliches Burgensterben. Nach einem missglückten kyburgischen Eroberungsversuch auf Solothurn holte dessen Verbündeter Bern zum Gegenschlag aus. Vom Rachefeldzug gegen den kyburgischen Dienstadel blieb auch Grimmenstein nicht verschont. Die Berner zogen mit den neuen Feuerwaffen, den ersten Kanonen, vor die Festung. Grimmenstein und Friesenberg wurden nach der Angabe der Chronik Justinger belagert. Der kyburgische Ministirale Petermann von Rormoos als Besitzer von Grimmenstein konnte seine Burg nur dadurch vor der Zerstörung retten, dass er mit den Belagerern verhandelte und Bern die Burg ohne Kampf zur Verfügung stellte. Ein weiteres Standbein des Hauses Kyburg war damit gebrochen.
1497 ging die Herrschaft Wynigen definitiv an Bern über. Die vermutlich schon damals verlassene Burg diente fortan als Steinbruch, denn die behauenen Quader kamen den Landleuten beim Bau von neuen Häusern sehr gelegen. Übrig blieb nur die Burgstelle als sichtbare Wallanlage aus Erde. Thomas Schöpf schreibt 1577, dass noch wesentliche Teile der Burg zu erkennen sind. Lebendig blieb auch die Erinnerung an die Burg und das einstige Regiment der Herren von Grimmenstein in der Sage des Ritters von Grimmenstein.
Die Burg stand einst im Tal des Chappelebach oberhalb des Weilers Büel auf dem hohen und steilen Sandsteinsporn. Der Name der Burg könnte kaum treffender sein. Mit dem Namensteil «grimm» ist nämlich «schrecklich» oder «wild» gemeint. Die Burg thronte also auf einem sehr exponierten, schwer erreichbaren Felsen, der die Gegend überragte.
Wer die Umgebung aufmerksam betrachtet, entdeckt die Überreste der ehemaligen Burg auf dem langen, höchsten und zentralen Felshügel. Dieser liegt als Kernburg zwischen zwei künstlichen Gräben. Gegen Nordosten schützt ein Wall und Quergraben den Hauptburghügel. Die Burg wurde durch zwei künstlich verbreiterte Quergräben in drei Abschnitte aufgeteilt. Auf der Hauptburg sind heute oberirdisch keine Spuren einer Ringmauer oder von Gebäuden mehr feststellbar. Einzig an der nordwestlichen Plateaukante gibt es noch sichtbare Mauerreste.
Diebold Schilling beschreibt in der Spiezer Bilderchronik die Belagerung von Grimmenstein. Schon tragen die Berner die Sturmleitern heran, die Büchsenschäfte richten sich auf die Burg, mit Sturmschildern gewappnet drängen die ersten zum Angriff, da erscheint auf den Zinnen der Burgherr mit seiner ganzen Familie, um über die Übergabe zu verhandeln.
3000 Funde
In der näheren Umgebung der Burgstelle wurden insgesamt vier zum Teil verschüttete Stollen im Sandsteinfels ausfindig gemacht. Vermutlich dienten solche Stollen als Quellwasserfassung. In Sagen und im Volksmund werden solche Stollen immer wieder als geheime Burggänge gedeutet. So soll nach mündlicher Überlieferung der in nächster Nähe der Burg gelegene Stollen die Burg mit dem sogenannten «Heidenstock» beim heutigen Hof Oberbühl verbunden haben.
Leider haben auf Burg Grimmenstein in den 1960er und 1980er Jahren mehrfach Raubgrabungen stattgefunden, wodurch wichtige archäologische Spuren ohne wissenschaftliche Dokumentation zerstört wurden. 1991 fand im Auftrag des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern eine kleine wissenschaftliche Nachgrabung statt, um zu prüfen, ob das umfangreiche beschlagnahmte Material tatsächlich von der Burg Grimmenstein stamme. So konnten die über 3000 Funde datiert werden. Die Mehrzahl der Funde stammt aus der Zeit von 1250 bis 1350. Unter Berücksichtigung der Schriftquellen kann zusammen mit den datierten Funden davon ausgegangen werden, dass die Burg um 1250 erbaut und mit der Eroberung aufgelassen wurde.
Grimmenstein ist die einzige Burg im Kanton Bern, die über so umfangreiches Fundmaterial verfügt. Die Funde dokumentieren das Alltagsleben, den Lebensstandard, den Handel und die Jagd auf der mittelalterlichen Burg.
Text: Jonas Glanzmann, History Projects
Bilder: Dyle Berger, zvg