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100 Jahre organisierte Fischerei an der Emme

Der Jahresbericht 2020 des kantonalen Fischerei-Inspektorats belegt: Fischen boomt. Wir werfen einen Blick auf die Anfänge der organisierten Fischerei im Emmental, besuchen den Fischereiverein an der Emme Burgdorf beim Jährlingsabfischen und sprechen mit der Fischerlegende Heinz Kneubühler.

Im Kanton Bern wurden im vergangenen Jahr knapp 19’000 Angelfischerpatente verkauft – rund zwanzig Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Zuwachs ist insbesondere auf die starke Nachfrage bei den Tages- und Wochenpatenten zurückzuführen. Der Anstieg ist umso erstaunlicher, weil die Preise in allen Kategorien merklich angehoben wurden – beim Jahrespatent zum Beispiel von 200 auf 250 Franken. Inhaber von Jahrespatenten, die keinem Fischereiverein angehören, müssen seit 2020 zudem neu eine Gebühr zur Unterstützung der Gewässerbewirtschaftung in Höhe von fünfzig Franken entrichten. Dreissig Prozent dieser Beiträge fliessen an den Kanton Bern, um den Verwaltungsaufwand zu decken und fischereiwirtschaftliche Massnahmen durchzuführen, die nicht von den lokalen Fischerei-Organisationen ausgeführt werden. Siebzig Prozent des sogenannten Hegebeitrags werden verwendet, um die Bewirtschaftungs- und Hegemassnahmen des kantonalen Fischereiverbandes und seiner Vereine mitzufinanzieren. So auch die Tätigkeiten der Emmentaler Fischereivereine an Ilfis, Emme und den von ihnen gepachteten Seitengewässern.

 

Erfolgreich die Netzfischerei bekämpft

Seit der Gründung der Fischereivereine in Langnau (1915) und Burgdorf (1922) haben sich die Fischbestände merklich verändert. Organisiert hatten sich die Fischer einst, um der Überfischung Einhalt zu gebieten. Sie wollten nicht länger zuschauen, wie «ein Privatier mit allen erdenklichen Vorkehren dieses Gewässer auszuräubern sich erlauben durfte» (Jahresbericht 1923 des Fischereivereins an der Emme Burgdorf). Die Fischereivereine wollten die ausbeuterische Netzfischerei verhindern, indem sie selber Gewässerabschnitte pachteten. In den 1930er Jahren wurde die Netzfischerei letztendlich verboten. Vom Fischreichtum zu jener Zeit ist man heute weit entfernt. Die Fischereivereine leisten mit ihren Tätigkeiten einen wichtigen Beitrag, damit die Bachforelle in der Emme weiter bestehen kann.

 

Ausbildung und Bewirtschaftung als Kernaufgaben

Der neu erhobene Hegebeitrag ist aus Sicht von Reto Bracher, bis 2020 Präsident des Fischereivereins an der Emme Burgdorf, mit ein Grund, warum der Verein einen weiteren Mitgliederzuwachs verzeichnen konnte: Die Vereinsmitglieder sind von diesen Beiträgen befreit – mit einer Mitgliedschaft bei einem lokalen Fischereiverein können sie die Vereinsarbeiten sehr direkt und über die Hegemassnahmen hinaus unterstützen. Neben der Bewirtschaftung der Gewässer zählt zum Beispiel auch die Ausbildung zu den unabdingbaren Aufgaben der Fischereivereine: Vergleichbar mit der Jagd haben Fischerinnen und Fischer heute viele Vorschriften zu beachten – insbesondere im Bereich Tierschutzbestimmungen. Die Fischereivereine Burgdorf und Langnau bieten jedes Jahr Kurse an, bei denen Nachwuchsfischerinnen und -fischer den für Langzeitpatente obligatorischen Sachkunde-Nachweis erlangen und sich auf das Schweizerische Sportfischer-Brevet vorbereiten können.

Reto Bracher ist seit seinem sechzehnten Lebensjahr Mitglied im Fischereiverein an der Emme Burgdorf und konnte die Entwicklungen in den letzten achtundzwanzig Jahren hautnah mitverfolgen und mitgestalten. Insbesondere die Aufzucht habe sich stark verändert. Vor drei Jahrzehnten wurden die Brutfische vom Verein in Längskanälen der Brutanstalt angefüttert. Die Laichfische wurden noch in der Emme und in Privatgewässern gefangen, die gereiften Eier der Muttertiere in der Brutanstalt «abgestreift» – für die künstliche Besamung gewonnen. Heute werden Seitenbäche der Emme als Aufzuchtgewässer ausschliesslich mit Brutfischen besetzt, die aus der Muttertierhaltung der Fischzuchtanlage Horben/Aeschau stammen. Der Fang von Laichfischen ist somit weitgehend nicht mehr nötig.

 

Sascha Jud gibt uns Einblick in die Brutanstalt an der Emme.

Kaum mögliche Naturverlaichung

Eine natürliche Fortpflanzung der Bachforellen – des Leitfisches der Emme – scheint heute kaum mehr möglich. Die Gründe dafür sind vielfältig und kumulativ: Einerseits hat die Begradigung und Kanalisierung der Emme zahlreiche potenzielle Lebensräume beeinträchtigt. Auch die veränderte Wasserführung – insbesondere die zunehmenden Hochwasser- und Niederwasserereignisse in der Laichzeit von November bis Januar – machte es für die Forellen schwierig, sich natürlich fortzupflanzen. Andererseits ist die Gewässerbelastung durch die Industrie, das Gewerbe und die Haushalte trotz der Reinigung in den Kläranlagen hoch. Zusammen mit den Ausschwemmungen von Pestiziden und Düngemitteln aus der Landwirtschaft führt dies zu einer Verschlammung des Kiesgrundes, was die Anzahl geeigneter Laichplätze weiter reduziert. Die Gründe für die Beeinträchtigung der Lebensräume der Bachforelle sind nicht abschliessend geklärt. Eine Rolle spielen dürften sicher auch die veränderten Nahrungsangebote sowie die steigenden Wassertemperaturen.

 

Gemeinsame Fischzucht in Horben

Die Aufzucht von Bachforellen ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Fischpopulation in der Emme. Unter dem Patronat der Pachtvereinigung Emmental züchten die Fischereivereine Langnau und Burgdorf seit 2015 Forellen in der Muttertieranlage in Horben. Zuvor wurde die Anlage durch den Kanton Bern betrieben und sollte aufgrund von Sparmassnahmen geschlossen werden. Seither tragen die Vereine die Verantwortung für die Aufzuchtanlage, die massgeblich zum Erhalt des Fischbestandes in den Emmentaler Gewässern beiträgt. Jährlich werden in Horben bis zu 400’000 kleine Forellen gezüchtet.

Der Fischereiverein an der Emme Burgdorf war die erste private Organisation in der Schweiz, die 1955 die Erlaubnis erhielt, die Fische elektronisch abzufischen.

Jährlingsabfischen im Aufzuchtgewässer

Die gezüchteten Fische werden gestaffelt in den Bewirtschaftungsgewässern ausgesetzt: Als Brut in den Aufzuchtbächen, als «Sömmerlinge» (Abfischung der Aufzuchtbäche im Herbst) oder «Jährlinge» (Abfischung im Frühling) werden sie in Emme und Ilfis ausgesetzt. Abgestimmt auf den Besatzplan des Kantons wird die Brut jeweils in den Monaten April/Mai ausgesetzt, sobald die kleinen Fische ihren Dottersatz aufgebraucht haben.

Wir trafen die Mitglieder des Burgdorfer Fischereivereins im Frühling zum Jährlingsabfischen beim Bärenbach in Fraubrunnen. Die Fische, die vor einem Jahr ausgesetzt wurden, werden elektronisch abgefischt, um sie später in der Emme auszusetzen. Mit dem Elektrofanggerät wird der Bach unter Strom gesetzt, was bei den Fischen zu Muskelverkrampfungen führt. Sie treiben zum Minuspol und können so eingesammelt werden. Der Kanton muss diese Arbeiten jeweils vorgängig bewilligen. Ausgeführt werden sie von zwei geschulten Fangpolführern. Nach dem Abfischen ist der Bach bereit für die neue Brut. Auf einer Strecke von 1,5 km wurden an diesem Tag 611 Forellen ausgesetzt. Rund ein Viertel der Bachforellen wird das erste Jahr im Seitenbach überstehen und im nächsten Jahr wiederum abgefischt werden.

Text: Hubert Schacher

Bilder: Felix Brodmann, Dyle Berger

Zu lesen in der Ausgabe #52